Das Münzmeistergeschlecht Comhaer

von Georg Galster

Zur Zeit des alten Zunftwesens, das in mehreren Ländern bis um die Mitte des vorigen Jahrhunderts bestand, war es eine selbstverständliche Sache, daß das Handwerk vom Vater auf den Sohn vererbt wurde. Hauptsächlich mußte dies der Fall sein mit dem Handwerk der Goldschmiede, das besondere Fertigkeit, Einsicht und Vermögen forderte. Ihre Kunstfertigkeit und Kenntnis von edlen Metallen machten sie besonders geeignet der Münzprägung vorzustehen, und ihr Vermögen setzte sie in Stand, zugleich als Wechsler und Bankiers aufzutreten. Zwar gelingt es nur gelegentlich, ein ganzes Geschlecht, das während des Mittelalters über die Länder zerstreut gewesen, zu verfolgen: im Interesse der Münzkunde aber ist es wohl wert, die sparsamen und verschiedenen Quellen zu sammeln.

In Deventer lebte gegen Ende des 14. Jahrhunderts ein reicher und angesehener Mann, Gerrit Gozewijnszoon Comhaer(1). Er war aus der Stadt Bommel gebürtig und war vielleicht ein Sohn des "Gosvinus, filius Conradi Comhaer de Bommel", der 1387 als Mitglied der Tuchkrämergilde (het lakenkoopersgild) zu Deventer genannt wird.

Gerrit Comhaer, der auch Mitglied dieser Gilde war, kommt 1380 und folgende Jahre als Goldschmied und Bürger in Deventer vor. Er stand in nahem Verhältnis zu der religiösen Gemeinschaft fratres vitae communis (broederen van het gemeenen levens), die von Gerhard Groot (1340-1384) in Deventer gestiftet war. Eine kurze Zeit verwaltete er die Kapitelgüter der utrechtschen Dompropstei, bis er 1394 von dem neuen Bischof Friedrich von Blankenheim zum Rentmeister in Salland ernannt wurde. In dieser Stellung mußte er oft dem kriegerischen Bischof Geld vorschießen, und bei der Abrechnung am 16. November 1397 war dieser ihm nicht weniger als 3762 alte Schilde schuldig. Als der Goldschmied sein Geld forderte, nahm die Freundschaft ein Ende und Gerrit Comhaer mußte heimlich aus dem Lande fliehen und zog nach Dänemark.

In Dänemark hatte die Münzprägung im 14. Jahrbuüdert aufgehört; im Jahre 1396 aber gelang es der Königin Margarethe eine große Landessteuer bewilligt zu bekommen, um dem Mangel an Münzen abzuhelfen (2), und bald danach arbeitete der Hammer in den Münzschmieden zu Naestved und Lund. Man kennt die Namen einiger Münzmeister zu Lund: Ericus (vor 1401 gest.) (3) und Henricus Hermensson (4); - 1409 kommt sogar ein Münzmeister namens Hans Sever in Malmö vor (5).

Dänemark begünstigte die niederländischen Hansestädte auf Kosten der rivalisierenden Schwesterstädte an der Ostsee, und dieses Verhältnis ist vielleicht auch für Gerrit Comhaer von Bedeutung gewesen, als er bei dem Könige der drei nordischen Reiche Dienst suchte. König Erich von Pommern, wie auch die Königin Margarethe, förderten durch den Birgittiner-Orden die nordische religiöse Bewegung, die in mancher Beziehung der niederländischen Bruderschaft ähnlich war. Auch dies kam wohl Gerrit Comhaer zugute. Der alte Bericht (6) lautet:

"Als hy daer ene corte tijt geweest hadde, soe gaf onse lieve Here hem gracie, alsoe dat hem die conynck van Denemaerck seer lief kreech ende in weerdicheit hadde, ende maekede hem sinen muntenaer, want hy constich was in golt smeden. Die officie der munten dede hy rechtverdelyc, also dattet hem daer geluckelye mede genck, ende waert weder rijke ende zalich."

Gerrit Comhaer zog dann nach Deventer, um seine junge Frau Aleide ter Poerten nach dem Norden zu holen:

"Ende als sie daer quam mytten vrenden, die sie daer brachten, so worden sie eerlike ortfangen, ende die conynck hadde sie beyde seer lief".

Wann Gerrit Comhaer nach Dänemark kam, ist nicht bekannt (7); er wird aber zum ersten Mal als "mester Gherd, muntmester to Nestwede" angetroffen, als er am 27. Mai 1407 in Lübeck 8000 Mark lübisch an den Kanzler König Albrechts gezahlt hatte (8).

Zu derselben Zeit trifft man auch einen Verwandten (vielleicht einen Brudersohn?) des Naestveder Münzmeisters, Goswinus Cumhaer, der am 15. Mai 1407 in Lübeck einen Schüldbrief über 500 Mk. Silber an König Albrecht ausstellt (9). - Später kommt noch ein Bruder dieses Goswin Comhaers, Rolaf, vor. Am 31. Januar 1412 besiegeln sie alle drei, Ghert, Rolaff und Goswyn Kumhar einen Schuldbrief für die Königin Margarethe an den lübischen Bürger Albrecht Lippen über 500 gute englische Nobele (10). Ferner bezeugen Gerrit und Goswin den 29. November 1413 eine Auszahlung des Königs Erich von 4000 rheinischen Gulden. Sie werden hier beide Münzmeister zu Lund genannt (11). Es ist unbekannt, wer Gerrit Comhaer als Münzmeister zu Naestved abgelöst hat. Rolaf ist in Stockholm Münzmeister geworden und besiegelt dort am 11. Juni 1415 als Zeuge einen Schuldbrief (12).

Gerrit Comhaer stand stets mit seinen Freunden in der Heimat in Verkehr und besuchte im Jahre 1413 Deventer und Bommel und beschenkte bei dieser Gelegenheit Kirchen und Klöster (13). In seiner ersten Ehe hatte er einen Sohn, Gozewijn, der schon ganz jung Prior des Karthäuserklosters Zeelhem in Brabant wurde; er besuchte den Vater in Dänemark. Der Reichtum Gerrit Comhaers und seine sowie des Sohnes fromme Gesinnung ergeben sieh aus dem obenerwähnten alten Bericht:

"[Doe Goesen tot synen vader in Denemarken quam] soe sat sijn vader als of hy wat schrijven wolde. Doe vragede hy hem, wat hy schreve. Hy antwoerde: ic schrijve of teykene die hondert nobelen, die ic ten Diepenveen gelient hebbe. Doe segede hy: neen, vader, schrijvet niet gelient, mer gegeven. Die vader segede: ick hebt hem gelient. Hy segede: neen, vader, niet gelient mer gegeven. Noch segede hy derdewerf: ic hebbet hem gelient. Die sone antwoerde: neen, vader, schrijft gegeven. Aldus verwan hy sinen vader, dat hy schrief: ic hebbe ten Diepenveen gegeven C nobelen." (14).

Wann Gerrit Comhaer gestorben ist, weiß man nicht genau, er hat aber jedenfalls keinen Anteil an der verderblichen Münzpolitik, die Erich von Pommern 1422 einschlug (15).

Aleide ter Poerten, die vielleicht im März 1419 als Witwe auftrat (16), kehrte zu ihren Eltern in Deventer zurück. Nach deren Tode trat sie, 1432 in das Kloster zu Diepenveen ein, wo sie sich durch ihre Frömmigkeit auszeichnete. Sie ist 1452 gestorben (17). - Der Karthäuserprior Goswin zog nach Dänemark, wo er Beichtvater des Königs Erich wurde (18). 1427 war er des Königs Botschafter in Preußen (19). 1428 wurde er zum Vorsteher eines Karthäuserklosters, das in Jütland gegründet werden sollte, ernannt (20). 1435 wurde er Bischof in Skalholt auf Island und 1439 zugleich Aufseher über Holum, das zweite Bistum der Insel.. Er legte hier große Tüchtigkeit an den Tag. 1447 starb er während eines Besuches in seinem alten Kloster Zeelhem (21).

Die Brüder Goswin und Rolaf Comhaer verließen bald Dänemark, man trifft aber noch in der folgenden Zeit einige Angehörige der Familie: 1431 und 1434 wird "Diderick Konobart aff Deuenter" genannt anläßlich eines Eigentums, das er sich zupfändet und später wieder an das Kapitel zu Copenhagen versetzt (22). Er ist vor Mai 1442 gestorben (23). Seinen Bruder, Iwen Kumhar, trifft man öfter zwischen 1442 und 1449 als wohlstehenden Ratsherrn in Malmö an (24). Er führte dasselbe Wappen wie die drei Münzmeister Gerrit, Goswin und Rolaf (25).

Rolaf Comhaer siedelte sich in Lübeck an. Den 27. Mai 1417 zahlte er in Brügge im Namen der Stadt Lübeck eine Anleihe von 2350 rheinischen Gulden zurück (26). Anläßlich einer Forderung an Werner Schulenberg, ehemals Bürger und Münzmeister zu Hamburg, hatte er 1412 der Stadt Hamburg einen Absagebrief gesandt. Bei dieser Gelegenheit wird er (Roeleff Münter) als Bürger zu Lüneburg bezeichnet. So lange Rolaf im Auslande verweilte, hatte die Fehde keine weiteren Folgen. Nun aber wandte er sich an die zu Lübeck versammelten Ratssendboten und bat sie den dauernden Streit zu schlichten. Nichts desto weniger ward er bald danach von den Hamburgern ergriffen und in den Turn gesteckt. Erst auf eindringliche Vorstellungen seines Landesherrn, Herzog Bernhards von Braunschweig-Lüneburg, wurde er auf freien Fuß gesetzt (27). Rolaf und sein Bruder Goswin, der auch nach Lübeck gezogen war, stellten in Gemeinschaft mit einem Dritten am 28. Oktober 1420 einen Schuldbrief an einen Bürger in Utrecht aus (28).

Rolaf Comhaer war Bankier in Lübeck, aber schon am 18. Januar 1421 zahlungsunfähig (29). Am 23. April desselben Jahres machte er, der dann als Münzmeister und Wechsler bezeichnet wird, freiwilligen Konkurs (30). Er schloß einen Vergleich mit seinen Gläubigern, und sollte diesem Vertrage gemäß die Hälfte seiner Schulden um Pfingsten und Jacobitag entrichten: der Bruder Goswin war u. a. sein Bürge. Er verpflichtete sich eidlich den Bürgermeistern gegenüber, die andere Hälfte, sobald es ihm Gott vergönnte, zu bezahlen. - Wahrscheinlich ist es Rolaf Comhaer bald gelungen, seine Lage zu verbessern. Er zog nach Stockholm zurück, wo er wieder Münzmeister wurde; in demselben Jahre ward er hier als Mitglied der Gilde des Heiligen Körpers aufgenommen. Später ist er Bruder der Gilde der Heiligen Gertrud geworden. Am 7. März 1423 wird er wieder in Lübeck genannt, dies Mal jedoch als Gläubiger (31). Er lebte noch am 27. Mai 1426 als Münzmeister in Stockholm, wird aber 1428 als gestorben erwähnt. Seine Witwe Gertrud besaß noch 1439 einen Hof in der Stadt. Als Münzmeister folgte ihm sein Landsmann (oder Verwandter?) Arent van Bombleu (32).

Der Bruder Goswin, der auch als Bürger in Lüneburg zu Hause gewesen ist, wird den 1. Februar 1436 von dem Rat in Salzwedel als Münzmeister angestellt (33). Beim Münzen sollte er die kleinen hohlen lübischen Pfennige als Vorbild nehmen. Der Rat und Goswin Comhaer sollten gemeinschaftlich das Münzgeschäft treiben; jeder hatte 1000 Mark "salzwedesche wohrunge" einzuschießen, und der Ertrag war in gleiche Teile zu teilen. Die "Kumpanie" war auf drei Jahre geschlossen. Goswin Comhaer blieb aber nicht die kontraktmäßigen drei Jahre in Salzwedel. Am 16. Juli 1437 verhandelte der Rat mit einem anderen Münzmeister über die Uebernahme der Münze (34), und von Johannistag 1438 an war Goswin Comhaer Münzmeister in Bremen. Den 29. September desselben Jahres vereinbarte er sich mit dem Stadtrat und dem Erzbischof Balduin für ein Jahr (35). Aller Schlagschatz von Johannis bis Michaelis wurde ihm erlassen. Für jede gewogene Mark, die er im folgenden Jahre ausmünzen würde, sollte er drei schware entrichten. Für den Wechsel sollte er am Heiligen Wilhads-Abende dem Domkapitel 21 Bremer Mark bezahlen. Er sollte nicht weniger als 6 Gesellen halten und das Geld seinem früher besiegelten Briefe gemäß schlagen.

Danach wurde Goswin Comhaer Münzmeister zu Danzig für den deutschen Orden (36). Bereits im Juni 1443 (37) lag er im Streit mit dem Hochmeister Conrad V. vun Ehrlichshausen, und nach einem Jahre mußten der Markgraf Friedrich von Brandenburg und der Rat zu Danzig durch einen Schiedsspruch vom 6. Juni 1444 die Sache erledigen (38).

Damit verschwindet auch dieser Mann aus der Geschichte, nachdem er in einem Menschenalter als Münzmeister in Lund, Lübeck(?), Salzwedel, Bremen und Danzig gewirkt hatte.

(Berliner Münzblätter N. F. VII (1922) s. 299f., 352f. og 365ff)


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